Warum solltest du dich mit den Eigenschaften von Trägerölen beschäftigen? Es gibt mindestens drei verdammt gute Gründe, diesen Artikel zu lesen:
- Du willst dir dein eigenes Bartöl zusammenmischen und weißt nicht, worauf du achten solltest.
- Du hast schon zig Bartöle ausprobiert, warst bisher aber immer unzufrieden und willst erfahren, woran das gelegen haben kann.
- Verdammt, du bist halt einfach ein Nerd und willst es genau wissen.
So oder so: sei mein Gast. Wenn du noch gar keine Ahnung von Trägerölen hast, solltest du dir vielleicht zuerst den Einstiegsartikel zum Thema Trägeröle durchlesen.
In diesem Artikel geht es um die Eigenschaften von Trägerölen. Darum, was Öl überhaupt ist, was es mit Fettsäuren auf sich hat und wie sie die Eigenschaften und vor allem die Qualität eines Bartöls beeinflussen.
Warum erzählen wir dir den ganzen Kram?
Weil du nur mit einem Bartöl glücklich werden kannst, das zu dir passt. Trockene oder fettige Haut, Dreitagebart oder dichte Vollbart-Matte, sprödes Barthaar oder eher fettiges – jeder Bart und die Haut darunter haben unterschiedliche Bedürfnisse. Und brauchen darum ihre ganz eigene Ölmischung.
Neigst du zum Beispiel zu trockener Haut, solltest du kein „trockenes“ Bartöl verwenden. Und was das zu bedeuten hat, findest du weiter unten im Artikel. Um das perfekte Bartöl für dich zu finden musst du wissen, welche Trägeröle zu dir passen. Und welche eher nicht. Die Informationen in diesem Artikel verwandeln dich in den Super-Bartöl-Nerd, der schon beim Lesen der Inhaltsstoffe weiß, ob es sich lohnt, ein Bartöl zu kaufen.
Was ist Öl? Und was soll dieser Omega-bla-Mist?
Öle und Fette bestehen aus Glycerin (einem kurzen Alkohol) und unterschiedlichen Fettsäuren. Fettsäuren sind mehr oder weniger lange Kohlenstoffketten mit mehr oder weniger spektakulären Anhängseln und sind wichtige Bausteine und Energielieferanten im Körper. Einige gehören außerdem zum natürlichen Schutzmantel der Haut.
Viele Fettsäuren kann unser Körper aus anderen Bausteinen selbst herstellen. Einige müssen wir jedoch irgendwie zu uns nehmen. Sie werden daher als essentielle Fettsäuren bezeichnet.
Man unterscheidet zwischen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren. Gemeint ist das, wonach es klingt: vereinfacht gesagt haben gesättigte Fettsäuren keine freie Bindungsstelle mehr. Sie sind also „satt“ und nehmen nichts mehr auf. Dadurch sind sie auch „träge“ – je mehr gesättigte Fettsäuren, desto dickflüssiger wird das Öl. Bis es bei Raumtemperatur fest wird und man es Fett nennt.
Ungesättigte Fettsäuren haben noch mindestens eine Doppelbindung, die relativ leicht mit anderen Substanzen reagieren kann. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren haben zwei oder mehr Doppelbindungen frei. Omega-hau-mich-blau ist einfach eine klugscheißerische Bezeichnung für die Lage der letzten Doppelbindung. Omega-3-Fettsäuren zum Beispiel haben an der drittletzten Stelle der Kette ihre letzte Doppelbindung. Geheimnis Ende.
Welche Fettsäuren gehören in ein Bartöl?
Jedes Öl enthält eine unterschiedliche Zusammensetzung unterschiedlicher Fettsäuren. Da jede Fettsäure irgendwie nützlich ist, sollte ein gutes Bartöl auch möglichst viele Fettsäuren für Haut und Haar enthalten. Allerdings gibt es kein einzelnes Trägeröl, in dem all diese Fettsäuren enthalten sind. Das ist der erste Grund, aus dem unterschiedliche Trägeröle in einem Bartöl enthalten sein sollten.
Die wichtigsten Fettsäuren für ein gutes Bartöl sind Ölsäure und Linolsäure. Ölsäure (auch Oleinsäure genannt) ist eine einfach ungesättigte Fettsäure und wirkt rückfettend. Sie ist also besonders für trockene Haare geeignet. Linolsäure ist eine zweifach-ungesättigte Fettsäure und gehört zu den essentiellen Fettsäuren. Sie wirkt regenerierend und spendet viel Feuchtigkeit. Linolsäure gehört zu den Bausteinen der oberen Hautschicht und ist damit wichtig für die Hautbarriere und die Fähigkeit der Haut, Feuchtigkeit zu speichern.
Daneben gibt es aber noch weitere Fettsäuren, die in einem guten Bartöl enthalten sein sollten. Folsäure zum Beispiel verstärkt den Wachstumsprozess der Haare. Palmitoleinsäure wirkt regenerierend. Laurinsäure ist antibakteriell.
Trockene, halbtrockene und nicht trockene Öle – WTF?!
Das sind Bezeichnungen, die sich nur bekloppte Wissenschaftler einfallen lassen können. Gemeint ist nicht das Öl selbst – man mag es kaum glauben, aber das ist und bleibt meist flüssig. Der Begriff geht wohl am ehesten auf das Gefühl zurück, dass ein Öl auf der Haut hinterlässt. „Trockene“ Öle ziehen schnell ein und bleiben nicht als schmieriger Ölfilm auf der Haut zurück. Nicht-trockene Öle ziehen weit weniger schnell ein, versorgen dafür die Haut aber auch besser. Naja, und halbtrockene Öle liegen dazwischen. Das unterschiedliche Verhalten und Feeling auf Haut und Haar hängt von der Menge an ungesättigten Fettsäuren im Öl ab.
Trockene Öle auf fettige Haut
Als trockene Öle werden die bezeichnet, die einen Anteil von mehr als 50% ungesättigter Fettsäuren enthält. Sie ziehen schnell ein, hinterlassen keinen zusätzlichen Ölfilm und eignen sich daher auch für fettige Haut. Hanföl wäre ein Beispiel.
Halbtrockene Öle auf normal Haut und Mischhaut
Bei halbtrockenen Ölen liegt der Anteil von ungesättigten Fettsäuren zwischen 20% und 50%. Sie ziehen nicht ganz so schnell ein, versorgen Haut und Haar dafür jedoch mit mehr Fett. Damit sind sie für normale Haut und Mischhaut gut geeignet. Zu ihnen zählen zum Beispiel Traubenkernöl und Schwarzkümmelöl.
Nicht-trockene Öle auf trockene Haut
Zu den nicht-trockenen Ölen zählen zum Beispiel Arganöl, Avocadoöl und Mandelöl. Vereinfacht kann man sagen, dass sie die besten Pflegeeigenschaften haben, weil sie am längsten auf der Haut bleiben. Allerdings lassen sie sich das durch die schlechtesten Verteilungseigenschaften teuer bezahlen. Ein nicht-trockenes Öl pur gleichmäßig in einem Vollbart zu verteilen, kann dich einen ganzen Abend beschäftigen.
Die Spreitfähigkeit eines Öls
Die Zusammensetzung der Fettsäuren in einem Öl bestimmt auch seine physikalischen Eigenschaften – zum Beispiel, wie dickflüssig es ist (Viskosität) und die Oberflächenspannung. Diese beiden Eigenschaften bestimmen auch, wie schnell ein Öl sich verteilt und wie tief es in die Haut eindringt. Dies wird oft als der „Spreitwert“ oder die „Spreitfähigkeit“ angegeben.
Öle mit guter Spreitfähigkeit sind wie Kriechöle: sie ziehen in jeden Winkel, fetten dabei aber wenig und halten sich auch nicht lang. Dadurch dringen sie auch nicht tief in die Haut ein. Sie helfen daher ungemein beim Verteilen eines Bartöls, pflegen aber in der Regel auch nicht so gut, wie Öle mit niedrigerem Spreitwert. Teilweise sind Öle mit hohem Spreitwert in der Lage, andere Inhaltsstoffe „mitzuziehen“.
Ein gutes Bartöl zeichnet sich also nicht nur durch die richtigen Inhaltsstoffe, sondern auch durch die perfekten Verteilungseigenschaften aus.
Die Mischung macht’s
Wie du siehst, ist es nicht ganz einfach, ein gutes Bartöl zusammenzumischen. Für das perfekte Bartöl muss der Ölmischer genau wissen, was er tut.
Es müssen alle Fettsäuren in der richtigen Menge im Bartöl enthalten sein, um ihm die gewünschten Pflegeeigenschaften mitzugeben.
Hohe Pflegeeigenschaften eines Öls gehen aber meist damit einher, dass es dickflüssig wird. Also müssen zusätzlich noch Öle beigemischt werden, die dafür sorgen, dass sich das fertige Bartöl trotzdem noch gut verteilen lässt. Damit verändert man jedoch wieder die Zusammensetzung der bereits für gut befundenen Fettsäure-Anteile. So wird das Mischen eines guten Bartöls zu einer mathematischen und physikalischen Herausforderung.
Das perfekte Mischungsverhältnis herauszufinden, ist ein langwieriger Prozess und die wenigsten Hersteller lassen sich gern in die Karten sehen. Daher steht auf den meisten Bartölen nur, welche Öle enthalten sind – aber nicht zu wie viel Prozent.
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Dieser Beitrag ist Teil der Serie Bartöl.